Von der Schweinemast zum ersten privat betriebenen Heizwerk in Lippe

Von der Schweinemast zum ersten privat betriebenen Heizwerk in Lippe

Wulf Daneyko am 03.07.2016 um 12:20 Uhr

Walter und Philip Pröhlemeier (von links) stehen in der Lagerhalle vor einem Berg Holzhackschnitzel. - © Wulf Daneyko

Walter und Philip Pröhlemeier (von links) stehen in der Lagerhalle vor einem Berg Holzhackschnitzel. (© Wulf Daneyko)

Kalletal-Lüdenhausen. „Biowärme Lüdenhausen GmbH & Co. KG“ lautet der Name des ersten privat betriebenen Heizwerks in Lippe. Walter und sein Sohn Philip Pröhlemeier sind die Geschäftsführer des Projektes zur alternativen Energieversorgung.

Ist Ihre neue Anlage ein klassisches Fernwärmesystem mit ökologischem Gedanken?

Walter Pröhlemeier: Im Grunde schon, nur wir nennen es „Nahwärme“, da die Energie direkt hier im Dorf produziert und in unmittelbarer Nähe verbraucht wird. Die Zukunft liegt in den erneuerbaren Energien. Deshalb wollten wir mit unserem Heizwerk eine umweltfreundliche und CO2-neutrale Energieversorgung zur Verfügung stellen.

Eigentlich sind Sie Landwirte mit Schweinemast und Ackerbau. Wie kam es zum neuen Geschäftszweig?

Philip Pröhlemeier: Ende 2013 ist in Gesprächen mit einigen Freunden die Idee entstanden, hier im Ort ein Nahwärme-Heizwerk zu bauen. Die Voraussetzungen waren gut, da unser Hof mitten im Dorf steht und rund herum eine enge Bebauung vorliegt. So konnte ich auch meinen Vater schnell von dem Projekt überzeugen.

So eine enorme Investition ist ein Risiko, wie konnten Sie das minimieren?

Walter Pröhlemeier: Wir haben nach Interessenten gesucht und sofort Zusagen vom Altenheim „Die Rose im Kalletal“, dem Pflegehaus Eichenhof und einigen Privathaushalten bekommen. Über Vorverträge konnten wir sicher sein, später auch Abnehmer zu haben. Wir sind den Lüdenhausern sehr dankbar, dass sie uns so viel Vertrauen entgegen gebracht haben, schließlich war Energieversorgung auch für uns Neuland.

Philip Pröhlemeier: Die Energieagentur Lippe aus Oerlinghausen hat ein Wirtschaftlichkeitsgutachten für uns erstellt und uns intensiv beraten. Außerdem hat uns der Anlagenhersteller natürlich ausführlich informiert. Wir haben auch einige Heizwerke andernorts besucht. Doch zunächst musste ein hoher sechsstelliger Betrag aufgebracht werden, wovon die Hälfte in den Netzausbau geflossen ist. Wir konnten von Bund und Land einige Fördermittel erhalten.

Wann ging es dann richtig los?

Philip Pröhlemeier: Von Beginn an wurden wir von Verwaltung und Rat voll unterstützt. Die Baugenehmigung vom Kreis war sehr schnell erteilt. Auch im Dorf gab es viel Unterstützung.

Walter Pröhlemeier: Ab Herbst 2014 wurde auf unserem Hof ein Gebäude und eine Halle für die Holzhackschnitzel errichtet. Es folgte der Netzausbau mit einer Trassenlänge von 1800 Metern. Seit Herbst 2015 ist die Anlage in Betrieb. Offiziell eröffnet haben wir am 12. März dieses Jahren mit einem Tag der offenen Tür.

Wie viele Haushalte sind inzwischen angeschlossen ?

Philip Pröhlemeier: Zurzeit haben wir 30 Abnehmer. Neben den genannten Pflegeeinrichtungen gehören die Kita „Pusteblume“ und zahlreiche Privathaushalte dazu. Die 650 KW-Anlage arbeitet jetzt schon wirtschaftlich, aber wir könnten noch weitere 15 bis 20 Haushalte beliefern, so etwa im Rosenweg oder In den Bollern, da dort eine enge Bebauung vorherrscht. Bei weiteren Kunden ließe sich auch noch ein zweiter Brennkessel installieren.

Wie ist der Betrieb des Heizwerks bislang verlaufen?

Walter Pröhlemeier: Bisher hat alles tadellos funktioniert, und die Abnehmer sind sehr zufrieden. Die Anlage wird computergesteuert überwacht. Unsere 20.000 Literpufferspeicher federn die Spitzenabnahmen ab. Da wir als Vollversorger tätig sind, ist die Anlage durch eine zusätzliche 700 KW-Ölheizung abgesichert, so dass die Wärmelieferung für den Kunden immer gewährleistet ist.

Welche Vorteile hat der angeschlossene Haushalt?

Philip Pröhlemeier: Der Kunde hat keine Kosten für die Verlegung des Netzsystems, diese tragen wir. Es gibt keine Anschluss- oder Bereitstellungsgebühr wie bei anderen Energieversorgern. Jeder zahlt nur das, was er verbraucht. Zudem ist es ein Platzgewinn für den Kunden, denn er benötigt keine Räume mehr für einen Öltank und den Heizkessel. Sämtliche Wartungskosten und Schornsteinfegergebühren entfallen. Auch die Kosten der Übergabestation mit dem Wärmetauscher konnten wir bisher über eine KfW-Förderung finanzieren. Der Kunde muss nur die Kosten für die Installation und einen neuen Brauchwasserspeicher aufbringen. Neben den ökologischen Vorteilen ist Biomasse auf Dauer auch preislich attraktiver als fossile Brennstoffe.

Wie sieht die Umweltbilanz des Heizwerkes selbst aus?

Philip Pröhlemeier: Unsere Anlage hält sogar die 2016 verschärften Grenzwerte voll ein. Es gibt keine Rauch- oder Geruchsentwicklung, da die Verbrennung extrem effektiv arbeitet. Selbst der Jahresstromverbrauch ist vergleichsweise gering. Wichtig ist auch zu sagen, dass kein zusätzliches Holz geschlagen wird. Alle Holzhackschnitzel sind Reste aus der Landschaftspflege. Dort kommt viel mehr zusammen, als verbrannt werden kann. So kann der ohnehin anfallende Rohstoff Holz noch energetisch genutzt werden. Wir schätzen den jährlichen Verbrauch auf rund 2.500 Kubikmeter Hackschnitzel. Dies ersetzt derzeit 140.000 Liter Heizöl. Die wenige Asche, die anfällt, kann als Dünger verwendet werden.
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Information
Persönlich

Walter Pröhlemeier (55) ist Landwirt von Beruf. Der verheiratete Vater zweier Söhne engagiert sich in seiner Freizeit im Schützenverein Lüdenhausen. Von 2004 bis 2006 war er Schützenkönig. Derzeit leitet er im Verein die „Arbeitsgemeinschaft Zukunft“. Sein Sohn Philip (22) studiert Agrarwissenschaft in Göttingen. Er spielt Fußball in der ersten Mannschaft des TuS Lüdenhausen, die gerade in die Kreisliga A aufgestiegen ist.

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